Umsatzsteuer | Steuerbefreiung medizinischer Telefonberatung (BFH)

Hier kommt ein wichtiger Hinweis – eventuell auch für Ihren Steuerberater: 

 

Auch telefonische Beratungen im Rahmen eines sog. Gesundheitstelefons können einen therapeutischen Zweck verfolgen und unter den Begriff “Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” fallen (BFH, Urteil v. 23.9.2020 – XI R 6/20 (XI R 19/15); Nachfolgeentscheidung zu EuGH, Urteil v. 5.3.2020 – C-48/19, “X-GmbH”).

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Klägerin, eine GmbH, betrieb im Auftrag gesetzlicher Krankenkassen u.a. ein sog. Gesundheitstelefon zur Beratung von Versicherten in medizinischer Hinsicht. Die wurden durch Krankenschwestern und Arzthelfer erbracht, die größtenteils auch als „Gesundheitscoach“ ausgebildet waren. In ca. einem Drittel der Fälle wurde ein Arzt hinzugezogen, der die Beratung übernahm bzw. bei Rückfragen Anweisungen oder eine Zweitmeinung erteilte.

Das FA weigerte sich die Beratungsleistungen gem. § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG von der Umsatzsteuer zu befreien. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil v. 14.8.2015 – 1 K 1570/14 U, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 5.11.2015). Der BFH zweifelte ebenfalls daran, dass für die telefonischen Beratungsleistungen der Anwendungsbereich der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStGArt. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL eröffnet sei und legte dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor (BFH, Beschluss v. 18.9.2018 – XI R 19/15, s. hierzu u.a. Mann, NWB Online, Stand 19.2.2019 sowie Rennar, USt direkt digital 6/2019 S. 8).

Der EuGH urteilte, dass auch telefonisch erbrachte Beratungsleistungen in Bezug auf Gesundheit und Krankheiten unter die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL fallen können, wenn sie eine therapeutische Zielsetzung verfolgen. In Bezug auf die Qualifikationsanforderungen an das eingesetzte Personal stellt der EuGH fest, dass die Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum haben und für die telefonische Beratung eine Zusatzqualifikation unter Beachtung der steuerlichen Neutralität gefordert werden könne. Die Prüfung beider Punkte obliege den nationalen Gerichten (EuGH, Urteil v. 5.3.2020 – C-48/19, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 9.3.2020, sowie Grambeck, USt direkt digital 11/2020 S. 13)

Der BFH hob nun die Entscheidung des FG Düsseldorf auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:

  • Auch telefonische Beratungen im Rahmen eines sog. Gesundheitstelefons können einen therapeutischen Zweck verfolgen und unter den Begriff “Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” fallen.
  • Telefonische Beratungen im Rahmen von Patientenbegleitprogrammen können Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sein, wenn diese als Patientenschulungen im Rahmen der ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation nachgewiesen einen therapeutischen Zweck erfüllen.
  • Für die nicht unter einen der Katalogberufe des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG fallenden Unternehmer kann sich die erforderliche Berufsqualifikation entweder aus einer berufsrechtlichen Regelung oder daraus ergeben, dass die betreffenden heilberuflichen Leistungen in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden.
  • Es obliegt nun dem FG, Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu den von der Klägerin mit dem Betrieb des Gesundheitstelefons erbrachten Leistungen zu treffen und diese gemäß den Rechtsgrundsätzen des EuGH-Urteils X-GmbH (EU:C:2020:169, Rz 31 bis 33) rechtlich einzuordnen.

 
Quelle: https://www.nwb.de/service/10_News_21_01_07_SMT – Danke, dass ich es veröffentlichen darf.